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ANBETRACHT DES ÜBERINDIVIDUELLEN IM TANZ
Mit der Auffassung, in allen Tanztechniken geht es um die universelle
Findung eines Zentrums, aller Bewegung im Äußeren
liegt die Suche nach einer wechselseitigen Beziehung mit der Erde
zugrunde, nehmen wir Archetypen der Haltung des
menschlichen
Körpers ein wie STEHEN, GEHEN, DREHEN.
Um uns unser Körper-Material zu erschließen und
infolgedessen Authentizität und
Bühnenpräsenz zu erreichen, betrachten wir mehr als
eine Vorstellung, die wir von ihm haben. Beispielsweise sehen wir den
Körper in seiner Begrenztheit durch Fußsohlen und
Scheitel - daneben aber gleichzeitig als Kanal für vertikale
Energie - kein anderer Gedanke ist besser geeignet,
uns wirklich
aufzurichten, weil er uns über uns selbst hinausträgt.
In dieser Arbeit für Tänzer führt
Visualisierung langfristig zu Gelöstheit. Meditation
läßt manchen vielleicht an Erleuchtung denken: Das
erhebende Gefühl des totalen Angeschlossenseins
an die Erde (zunächst als Metapher) wird jedem Praktizierenden
zuteil - alleine durch Konzentration und dem Aufspüren seiner
persönlichen Konstruktionen von Alltag und ICH sowie dem
Absehen von diesen. An deren Stelle tritt dann eine Kraft, die durch
unseren Körper spricht.
JS - V/05
Die Tänzerin und Choreographin
Janine Schneider
von Wiebke Hüster
Janine
Schneiders Arbeit ist einzigartig in der Tanzwelt, gespeist aus den
Bereichen, in denen sie ihre Ausbildung durchlaufen hat. Da wären
zu nennen als erstes der klassische Tanz, Modern (Merce
Cunningham-Technik), später die Hinwendung zu den asiatischen,
spirituellen Disziplinen der Bewegungskunst wie Butoh, Tai Chi, QiGong,
Zen und Körperbewußtseinsarbeit nach
Gindler-Goralewski. Sie gehört zu jenen Choreographen, die sich
die Erweiterung ihrer Mittel über das aktive Tanzen hinaus
autodidaktisch angeeignet haben. Sie experimentiert unermüdlich
und kompromißlos, dabei aber treu ihren Wurzeln, dem
Cunningham-Motto There are no fixed points in space (Es gibt keine
Fixpunkte im Raum). Auch in ihrem Umgang mit der Musik folgt sie der
Entdeckung von Cunningham und John Cage, nach denen es kein
absichtsvolles Zusammengehen von Tanz und Musik geben soll, kein nach
dem Takt-Gestalten,
sondern die wechselseitige Unabhängigkeit der
Bühnenkünste. In der nächsten Etappe ihres
künstlerischen Arbeitsprozesses verlor die festgelegte
Bewegungskomposition für Janine Schneider an Bedeutung.
Wichtiger wurde im Gegensatz dazu die Suche nach der authentischen, aus dem Moment heraus stimmigen Bewegung.
instant composition
Janine Schneider ging in langjähriger Praxis bei Proben und Auftritten mit Musikern dem
improvisatorischen Schaffen nach.
Der Gedanke, eine dramaturgische Sensibilität - ad hoc und direkt aus dem Körper kommend -
herauszubilden, stand stark im Vordergrund.
Sie interessierte sich für die Frage: Wie universell kann das
Ureigene sein? und bediente sich hierzu einer extremen Verlangsamung,
von der seitdem ihre Werke leben. Der Name no thrills, unter denen sie
sich solo als auch mit company der Öffentlichkeit präsen-
tiert, steht für Einfachheit und Geradlinigkeit, auch Verzicht auf
die gängigen theatralen Effekte.
Die Reduktion auf die Archetypen menschenmöglicher Bewegung wie
GEHEN, STEHEN, DREHEN wird gezeigt unter dem Aspekt ihrer oft heilsamen
Wirkung, die die Zuschauer erst im Verlaufe so einer meditativen
Aufführung zu spüren beginnen.
Nachdem im vergangenen Jahr in dem Solo FÜR DIE VÖGEL klassische japanische Haikus
rezitiert wurden, soll nun im neuen Projekt BIOGRAPHY parallel zum Tanz
ihr Text Icons/Asana von 1995 erscheinen. Gesprochenes Wort und
Körperaktion fusionieren in einem performance- Feld. Mit BIOGRAPHY
soll die spezifische Art des Zusammenwirkens beider künstlerischer
Spra- chen eingehend untersucht und herausgefunden werden, wo sie
möglicherweise
ineinanderfließen oder ob die eine an die Stelle der anderen treten kann.
Der hohe Anspruch, das Geistige in der Kunst darzustellen - so
wäre das Anliegen der Choreographin vielleicht am besten
beschrieben.
In Kontrast zu so vielen auf weltlichen Schmerz fixierten Inhalten
zeitgenössischen Theaters geht sie den fast religiös
geprägten, auf alle Fälle spirituellen Weg.
Wiebke Hüster ist die
Tanzjournalistin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Sie tanzte in Janine Schneiders company in
den Jahren 1985-87.
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